Precision FarmingTraktorenZeit für Visionen: Der auto­nome Schwarm­traktor

Wie würde ein elek­tri­scher Traktor aussehen, wenn man sich um die Strom­ver­sor­gung zunächst keine Gedanken machen müsste? Simon Pfaff­mann aus dem ETIC (Euro­pean Tech­no­logy Inno­va­tion Center) von John Deere lädt uns zu einem Gedan­ken­ex­pe­ri­ment ein – und erklärt, wie real diese Idee ist.

Die elek­tri­sche Antriebs­technik ist leis­tungs­dicht, hat große Vorteile bei der Auto­ma­ti­sie­rung und Auto­no­mi­sie­rung – und sie ist verfügbar. Wir können sie jetzt einsetzen. Was wäre also möglich, wenn wir auch noch leis­tungs­starke Batte­rien hätten, die so groß sind wie ein Schuh­karton? Zu genau diesem Gedan­ken­ex­pe­ri­ment möchte ich euch in diesem Beitrag einladen. Lasst uns einen Traktor komplett neu denken!

Wenn wir das tun, fallen zunächst mal eine ganze Menge Bauteile weg: Die Kabine verschwindet, weil das Fahr­zeug autonom fährt. Durch die Elek­tri­fi­zie­rung braucht es keinen Diesel­motor mehr, keine Abgas­an­lage und keinen Kraft­stoff­tank. Wenn wir jetzt noch ein biss­chen weiter gehen und vorläufig ebenso auf Räder, Vorder­achse und Haupt­rahmen verzichten, bleibt nur noch das Herz des Trak­tors übrig: Die Trak­tor­hin­ter­achse. Mit Ihr bleibt ein effi­zi­entes Getriebe erhalten, über welches die Hinter­achse mittels elek­tri­scher Maschinen ange­trieben wird. Ebenso bleiben die Heck­hy­draulik, die Zapf­welle und die stan­dar­di­sierten Anbau­ge­rä­te­schnitt­stellen erhalten.

Der Traktor – neu gedacht

Lasst uns auf dieser Basis unseren neuen Traktor aufbauen. Gehen wir zunächst davon aus, dass wir den Traktor auf Raupen­lauf­werke setzen. An die Konstruk­tion bringen wir dann über eine Unter­set­zungs­ge­trieb zwei E-Motoren an und schon ist der mecha­ni­sche Teil des Antriebs­strangs fertig. Während im klas­si­schen Traktor die Dreh­zahl von Diesel­motor und Hydrau­lik­pumpen immer abhängig vonein­ander sind, trennen wir die zwei Systeme in unserem Zukunfts­traktor vonein­ander, um den Antriebs­strang noch effi­zi­enter zu gestalten. Das heißt: Ein Motor ist rein für den Trak­ti­ons­an­trieb verant­wort­lich, der zweite für die Heck­zapf­welle und das Hydrau­lik­system – jede dieser Maschinen leistet 250 Kilo­watt.

Damit hat unser Trak­tor­pro­totyp eine Leis­tung, die vergleichbar mit einem Traktor der 7000er oder 8000er Serie ist. Auf diesem kompakten Raum ist das nur möglich, weil die elek­tri­schen Kompo­nenten so kompakt und leis­tungs­dicht sind und wir uns zunächst keine Gedanken über die Ener­gie­zu­füh­rung machen. Wie das eigent­lich funk­tio­nieren soll? Dazu kommen wir gleich, noch etwas Geduld!

So kommt die Power auf den Boden

In unserem Traktor befindet sich ein John Deere Umrichter für die Versor­gung und die Steue­rung der elek­tri­schen Maschinen. Ein zweiter Umrichter ermög­licht es uns, Energie auf ein Anbau­gerät offzu­boarden. Im nächsten Schritt wird dann der Antriebs­strang verkleidet. Unter dem Chassis befinden sich ein neues Brems­system, verschie­dene Kühl­kreis­läufe, unter anderem für die elek­tri­schen Bauteile sowie Steue­rungs­kom­po­nenten.

Das Ballas­tie­rungs­system ermög­licht es, den Traktor je nach Einsatz leichter oder schwerer zu machen.

Damit der Traktor seine Leis­tung auf den Boden bringt, können wir verschie­dene Gewichte anbringen. Dafür haben wir ein Ballas­tie­rungs­system sowohl für das Grund­fahr­zeug als auch die Tracks entwi­ckelt. Somit entscheiden wir, ob wir das Fahr­zeug richtig schwer machen wollen oder eher eine leich­tere Maschine brau­chen, je nachdem was im Fokus steht: schwere Boden­be­ar­bei­tung oder leich­tere Aufgaben.

Ohne Vorder­achse würde zumin­dest die Rad-Version des Trak­tors even­tuell umkippen. Um das zu verhin­dern, geht der Schlepper beim Ausba­lan­cieren eine Symbiose mit dem Anbau­gerät ein. Dabei nutzen die wir dessen Zusatz­achse als zweite Achse für den Traktor.

So entsteht eine Art Knick­lenker. Als Anbau­gerät können dabei herkömm­liche Maschinen zum Einsatz, ledig­lich die Schnitt­stelle wird ange­passt. Soweit so gut. Bleibt nur noch die Frage, woher die Energie für den Traktor kommt? Schließ­lich ist die zu Beginn des Beitrags getrof­fene Annahme einer Batterie in Schuh­karton-Größe noch weiter entfernte Zukunfts­musik.

Traktor und Anbau­gerät gehen eine Symbiose ein und lassen sich nach dem Prinzip eines Knick­len­kers steuern.

Energie vom Feld­rand

Die Lösung für unseren Proto­typen ist ein Ener­gie­ver­tei­lungs­fahr­zeug nach dem Vorbild unseres GridCon-Trak­tors. Dieser wird vom Feld­rand aus über ein Kabel mit Energie versorgt. Von diesem Fahr­zeug aus wird die Energie dann mittels eines Kabels auf die auto­nomen Trak­toren verteilt. Trak­toren im Plural? Exakt! Denn so richtig geht das Konzept dann auf, wenn der Traktor mit weiteren Einheiten als Schwarm arbeitet.

So wird die einmal aufs Feld gebrachte Energie auf einer größeren Fläche effi­zient genutzt. Durch Fort­schritte in der Steue­rung und beim auto­nomen Fahren gibt es zudem keine Probleme beim Wenden oder der Fahrt aufs Feld. Und auch in unserer Vision steht am Feld­rand immer noch ein Mensch, der das Geschehen über­wacht.

Unser Schwarm­traktor ist sicher keine Tech­no­logie, die inner­halb der nächsten Jahre in Serie gehen wird. Da gilt es vorher noch einige Hürden zu nehmen, zum Beispiel in den Berei­chen Infra­struktur, Zuschnitt der Höfe, Abrech­nungs­mo­delle der Ener­gie­an­bieter und Regeln und Gesetze.

Ein Ener­gie­ver­tei­lungs­fahr­zeug versorgt einen Trak­tor­scharm über ein Kabel mit Energie.

Elek­tri­sche Fahr­zeuge freier entwi­ckeln

Trotzdem ist das Projekt sehr wert­voll für uns. Schließ­lich ermög­licht uns die Kabel­tech­no­logie, elek­tri­sche Fahr­zeuge im Feld über lange Zeit­räume zu testen, ohne durch eine Leere Batterie einge­bremst zu werden. Mit diesen Fahr­zeugen können wir theo­re­tisch 24 Stunden im Feld arbeiten und Erkennt­nisse gewinnen. Es ist erstaun­lich zu sehen, welche Ideen einem kommen, wenn man vom Feld­rand beob­achtet, wie so eine Schwar­m­ein­heit über das Feld fährt.